Projekt Beschreibung

01.01.2014

Liebe Mitglieder des Aktionskreises, liebe Spenderinnen und Spender,

in den vergangenen Wochen durften wir aus der Heimat eine enorme Solidarität und Unterstützung für die Opfer des Taifuns Yolanda/Haiyan erfahren. Auch im Namen der betroffenen Menschen, die derzeit von den Hilfsaktionen profitieren, darf ich mich mit diesem Brief nochmals dafür sehr herzlich bedanken.

Die internationalen Medien haben die Ausmasse der Naturkatastrophe auf den Inseln Leyte, Samar und Bantayan sowie im Norden Cebus immer wieder neu dokumentiert. Doch lässt sich die Wirklichkeit nur schwer in Bildern festhalten, wie mir in den letzten Tagen bei dem Besuch der vom Taifun am schwersten betroffenen Gebiete auf der Insel Leyte deutlich vor Augen geführt wurde.

Die Ausmasse der Katastrophe sind ganz einfach enorm. … Grosse Teile der Stadt Tacloban wurden von den hohen Wellen und dem starken Wind vollkommen vernichtet. Gerade die dem Pazifischen Ozean ausgesetzten Küstendörfer sind schwer betroffen … Viele Dörfer gibt es ganz einfach nicht mehr … Sie sind von der Landkarte wie weggewischt … Das gilt auch für die Menschen, die dort lebten … Die Anzahl der Toten ist bis heute noch nicht bekannt … Die Regierung spricht von etwa 7.000 Menschen, die ihr Leben verloren haben und von noch immer vielen hunderten von Vermissten … Hilfsorganisationen vor Ort schätzen die Anzahl der Toten auf weitaus höher …

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Überall leben Menschen in Zelten

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Einer der vielen Stadtteile Taclobans:

Der Taifun liegt fast zwei Monate zurück. Heute noch leben tausende von Menschen in den Katastrophengebieten in Zelten. … Darunter zahlreiche traumatisierte Menschen … Die Bilder der Katastrophe lassen die Menschen ganz einfach nicht mehr los … Es hilft ihnen, die tragischen Ereignisse immer wieder neu zu erzählen … Ich konnte mit vielen Menschen sprechen … Darunter „Kinder ohne Eltern“ und „Eltern ohne Kinder“ … Es gibt kaum jemanden, der nicht einen Menschen kennt, der ums Leben gekommen oder vermisst ist …

Eine grosse Turnhalle sollte nach den ersten Taifun Warnungen als Evakuierungszentrum dienen … Man versuchte, Menschen zu retten. … Die Halle wurde zur Todesfalle und stürzte ein … Einige hundert Menschen starben … Darunter viele Frauen und Kinder …

Einer unserer Mitarbeiter erzählte wie er und seine Kollegen stundenlang in Bäumen ausharrten und an Stämmen geklammert dem starken Regen und Wind ausgesetzt auf Hilfe warteten … Andere haben die Kräfte verlassen, sagte er mir … Sie wurden von der Flut den Bäumen entrissen und weggeschwemmt …

Die meisten Kinder in den Katastrophengebieten gehen derzeit nicht zur Schule … Ganz einfach deshalb, weil die meisten Schulen durch den Taifun zerstört oder schwer beschädigt wurden … Ich habe viele Schulen gesehen, die durch den starken Wind und die enormen Wellen vollständig dem Erboden gleich gemacht wurden … Die Leiter unserer Projekte vor Ort sprechen von mehr als 200 Schulen, die nicht nur repariert, sondern komplett neu aufgebaut werden müssen … Hinzu kommen Gesundheitszentren und viele Gebäude der lokalen Behörden …

Die Reste der Schule
Die Reste einer Schule

Auch hier stand vor dem Taifun eine Schule:

Bei all dem Elend kann man die Menschen verstehen, die die Insel Leyte aus lauter Verzweiflung verlassen haben, um in Cebu oder Manila ein neues Leben zu beginnen … Doch auch das ist nicht einfach … Viele von ihnen werden nur in den Slums dieser Grossstädte Unterkunft finden … In Cebu leben derzeit noch viele Menschen in zu Notunterkünften umfunktionierten Turnhallen … Auch sie dürfen von der Hilfe aus der Heimat profitieren …

Bewegende Momente an Massengräbern … Direkt vor der schwer beschädigten Kathedrale in Palo/Leyte wurde eine grosse Grube ausgehoben. Ein weisses Band, ein Kreuz und einige Blumen kennzeichnen die letzte Ruhestätte von über 200 Opfern des Taifuns … Die Menschen konnten nicht identifiziert werden … Ein weiteres Massengrab befindet sich einige Kilometer enfernt vor einer Pfarrkirche … Die Menschen haben mittlerweile Kreuze, Blumen und Kerzen darauf gestellt … All das im Andenken an ihre lieben Verstorbenen … Wo genau diese beerdigt sind, wissen sie nicht … Die Menschen brauchen diese Gedenkstätten … Das Leben muss weitergehen … Auch der Toten wegen …

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Massengrab vor der Kathedrale in Palo

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Ein Massengrab vor einer Pfarrei

Der Neuanfang … „Es ist es besser eine Kerze anzuzünden, als an der Dunkelheit zu verzweifeln“ sagt ein Sprichwort …“ Das ist genau das, was derzeit dank der Hilfe aus der Heimat und Menschen aus aller Welt in den Katastrophengebieten passiert … „Aufzugeben ist keine Option …“

Bei den schlicht unfassbaren Dimensionen der Zerstörung scheint alle Hilfe nur ein Tropfen auf den heissen Stein zu sein. Dennoch wäre ohne diese Hilfe das Leben der Menschen vor Ort unmöglich. … Trinkwasser, Nahrung, medizinische Versorgung, Hilfe bei der Suche nach Vermissten, Traumaarbeit, Generatoren, Strom, um Handies und Taschenlampen aufzuladen, Zelte, Aufräumarbeiten, Wiederaufbau … Neue Unterkünfte … Schulen … Hilfe beim Aufbau der Existenz, bezahlte Arbeit zu finden, arbeitschaffende Massnahmen … All das ist derzeit überlebenwichtig …

Besonders bewegend unter den vielen Helferinnen und Helfern sind u.a. Freiwillige aus den Steyler Pfarreien von der Nachbarinsel Mindanao … Vor einem Jahr wurden sie selbst von einem schweren Taifun heimgesucht … Heute sind sie auf der Insel Leyte, um anderen Menschen in Not zu helfen … Oder auch Leute aus unserem Hausbauprojekt für die Menschen von der Mülldeponie der Insel Mactan … Auch sie hat das Schicksal der Opfer des Taifuns bewegt … Sie kennen die Not und wissen, wie wichtig Hilfe ist …

Das Krankenhaus der Steyler Missionare in Tacloban hat mittlerweile, obwohl noch weiterhin reparaturbedürftig, dank der Hilfe grosszügiger Spenderinnen und Spender den Betrieb wieder aufgenommen … Als einziges noch geöffnetes Krankenhaus während der Krise konnte hier sehr vielen Menschen in Not geholfen werden. Vielerlei Nachbehandlungen der Opfer des Taifuns und darunter besonders der Kinder sind notwendig … Wir sind dankbar für die Hilfe aus der Heimat …

Die Steyler Schule wird als einige der ganz wenigen Schulen am 8. Januar 2014 geöffnet … Nach knapp zwei Monaten können die Kinder endlich wieder in die Schule gehen … Darunter sind viele Kinder die während des Taifuns Eltern, Angehörige, Verwandte und Freunde verloren haben … Einige der finanziell besser gestellten Familien schicken ihre Kinder auf Schulen in Cebu oder Manila. Die Kinder ärmerer Familien brauchen Hilfe bei der Finanzierung ihrer Schulbildung vor Ort. Das ist dank der Hilfe aus der Heimat möglich …

Die Radio Station der Steyler Missionare in Tacloban wurde vollständig zerstört. Der Wiederaufbau wird wichtig sein. Gerade die Menschen einfacher Bevölkerungsschichten lassen sich über das Radio erreichen. Radioprogramme können eine wichtige Rolle spielen, nicht nur um Informationen zu geben, sondern auch um die Hoffnung lebendig zu halten und um das grosse Trauma aufzuarbeiten …

Die so grosszügige Unterstützung aus der Heimat ermöglicht vielerlei Hilfe vor Ort und macht immer wieder neu Mut, trotz aller Schwierigkeit weiterzumachen. Dafür sind wir und die uns anvertrauten Menschen sehr dankbar.

Von Anfang an war das Anliegen des Entwicklungsbüros der Steyler Missionare in Cebu gerade den Menschen zu helfen, die in den abgelegenen Dörfern keinerlei Unterstützung erfahren haben. In Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden wurden vier Dörfer auf der Insel Leyte identifiziert. Insgesamt werden hier und in anderen noch zu identifizierenden Dörfern in den nächsten Wochen bis zu 2.000 neue Unterkünfte für die Menschen gebaut werden. Hinzu kommen etwa 200 Unterkünfte für die Taifun Opfer auf der Insel Bantayan und im Norden Cebus. Der Bau von Toiletten ist ebenfalls ein wichtiges Projekt, um Krankheiten vorzubeugen.

Gleichzeitig läuft die Versorgung der Opfer des Taifuns mit Nahrung und Medizin weiter. Ganz wichtig ist dann vor allem die Hilfe für die Familien beim Aufbau einer neuen Existenz. Dazu gehören ganz konkret einkommenschaffende Massnahmen und Arbeit. Die Fischer haben unter Anleitung der Steyler Missionschwestern angefangen, neue Boote zu bauen. Der Kauf der benötigten Fischausrüstung wird  bald folgen. Viele der Kleinbauern finden derzeit innerhalb der Hausbauprojekte Arbeit. Zwischenzeitlich lernen die ehemaligen Kokusnussbauern den Gemüseanbau. Es wird einige Jahre dauern, bevor die Kokusnusspalmen wieder Früchte tragen können. Aus unseren Projekten der Insel Mindanao sind Männer mit Kettensägen in Leyte im Einsatz, die die am Boden liegenden Kokusnusspalmen in Baumaterialien verwandeln. Aus den Projektgebieten der Insel Cebu werden in den nächsten Tagen Zimmerleute nach Leyte kommen, um den Menschen zu helfen, ihre neuen Unterkünfte zu bauen.

Die Dokumentation all dieser Projekte und die finanzielle Abrechnung erfolgt über die Philippinische Südprovinz der Steyler Missionare in Cebu unter der Leitung des Provinzials P. Rocha und die Steyler Mission in St. Augustin/Deutschland. In den kommenden Monaten werden weitere Berichte folgen.

Neue Unterkuenfte
Neue Unterkünfte für die Kokusnussbauern der Insel Leyte

Hilfe kommt an
Für die so grosse Solidarität der Heimat mit den Menschen in den Katastrophengebieten auf den Philippinen bedanke ich mich nochmals auch im Namen der Empfänger der Hilfe sehr herzlich. Die Vergewisserung bleibt … Die Hilfe kommt an!

Mit freundlichen Grüssen aus Cebu und den besten Wünschen für das neue Jahr

Heinz Kulüke SVD